Ist „Sani“ gleich „Sani“?

Ist „Sani“ gleich „Sani“?

Die Buchung des Sanitätsdienstes ist ein lästiges, aber notwendiges Übel, welches oft „auf den letzten Drücker“ noch schnell vom Praktikanten erledigt wird. Aber ist Sanitäter gleich Sanitäter? Brauche ich einen Krankenwagen? Auf was ist sonst noch zu achten? Das fragten wir Erik Herbote, Inhaber der Firma BMLG, die in Berlin seit über 10 Jahren erfolgreich Sanitätsdienste anbietet.

Frage: Herr Herbote, eine provokante Frage gleich am Anfang: Warum sind Sanitätsdienste inzwischen so teuer geworden?

Erik Herbote: Sie spielen wahrscheinlich darauf an, daß die Sanitäter früher teilweise umsonst gearbeitet haben. Das ist auf die Geschichte des Sanitäts- und Rettungsdienstes zurückzuführen. Dieser wurde in den Anfängen in den 60er und 70er Jahren überwiegend von ehrenamtlichen Helfern durchgeführt. Beim Sanitätsdienst, also der medizinischen Absicherung von Veranstaltungen, ist das bei den klassischen Hilfsorganisationen (DRK, Johanniter, ASB, Malteser usw.) auch heute noch teilweise der Fall. Größtenteils müssen aber auch diese Organisationen inzwischen wirtschaftlich arbeiten und sich selbst tragen. Bei privaten Anbietern stellt sich die Frage eigentlich nicht: Diese müssen ihre Mitarbeiter bezahlen, Ausrüstung und Verbrauchsmaterial anschaffen und ständig aktuell halten und natürlich fallen alle anderen Kosten wie bei jedem anderen Unternehmen auch an. Nicht zuletzt sind die heutigen Mitarbeiter oft hoch spezialisierte und gut ausgebildete Fachkräfte, die mit dem ehrenamtlichen Sanitätshelfer nicht vergleichbar sind. Und Fachkräfte kosten nun mal Geld. Insgesamt sind die Preise jedoch immer noch sehr moderat und liegen weit unter den Stundensätzen für andere Fachkräfte, wie zum Beispiel Tontechniker oder Beleuchtungsspezialisten.

Frage: Sie sprachen gerade die verschiedenen Qualifikationen im Rettungs- und Sanitätsdienst an: Welche gibt es und ist es nicht egal, wen ich da buche, Hauptsache der Sanitätsdienst ist vorhanden?

E. H.: Ich möchte gleich mit dem zweiten Teil Ihrer Frage anfangen: Es kommt auf Ihren Anspruch als Veranstalter eines Events an. Möchten Sie nur den Paragraphen gerecht werden und die Versicherung befriedigen, sich also nur absichern: Dann ist es tatsächlich oft egal! Wenn Sie allerdings den Sanitätsdienst mit dem gleichen hohen Niveau wie alle anderen Teilbereiche Ihrer Veranstaltung durchgeführt wissen möchten, sollten Sie schon gut ausgebildete und erfahrene Kräfte anfordern. Das fängt meines Erachtens beim erfahrenen Rettungssanitäter an. Wenn nämlich der „worst case“ eintritt und einer Ihrer Besucher schwer erkrankt oder verletzt wird, hilft Ihnen der Sanitäter, der keine Routine mit solchen Notfällen hat und dementsprechend aufgeregt ist, nicht weiter. Zu den Qualifikationen: Im ehrenamtlichen Bereich, also bei den Hilfsorganisationen gibt es den Sanitäter oder Sanitätshelfer mit 60 – 80 Stunden Ausbildung. Dann gibt es noch den Betriebssanitäter, der vor allem wegen Auflagen der Berufsgenossenschaften als Ersthelfer in Betrieben ab einer bestimmten Mitarbeiterzahl vorhanden sein muß. Der erste Schritt auf dem Weg zum Profi ist der Rettungshelfer. Er erfährt ungefähr die gleiche medizinische Ausbildung wie ein Rettungssanitäter, die vorgeschriebenen Praktika im Krankenhaus und auf dem Rettungswagen sind allerdings zeitlich reduziert und es findet keine Abschlußprüfung statt. Die nächst höhere Qualifikation und der erste, der auch regulär auf einem Rettungswagen eingesetzt werden kann, ist der Rettungssanitäter. Seine Ausbildung umfaßt einen theoretisch/ praktischen Teil und Praktika im Krankenhaus sowie auf dem Rettungswagen, endet mit einer Abschlußprüfung und dauert insgesamt ca. 3 Monate. Die höchste nichtärztliche Qualifikation im Rettungsdienst, und damit auch im Sanitätsdienst, stellt der Rettungsassistent dar. Dieser, leider vom Gesetzgeber etwas mißverständlich gewählte Begriff (nicht etwa nur der Assistent auf dem Rettungswagen, sondern Assistent des Notarztes) bezeichnet den Verantwortlichen an der Einsatzstelle bis zum Eintreffen des gegebenenfalls gerufenen Notarztes. Die Mehrzahl der Einsätze wird allerdings ohne Notarzt abgewickelt. Es ist die einzige Rettungsdienstqualifikation, die als Berufsbild anerkannt ist. Die Ausbildung dauert ca. 2 Jahre. Man sieht also: Sani ist nicht gleich Sani. Und nicht alles, was Reflexstreifen an Jacke oder Hose hat ist erfahren im Rettungsdienst und kompetent, komplexe Einsätze und Notfallsituationen zu beherrschen.

Frage: Brauche ich einen Krankenwagen?

E. H.: Das kommt sehr auf die Größe der Veranstaltung an. Kranken- oder Rettungswagen werden oft eingesetzt, obwohl sie eigentlich nicht benötigt werden. Transporte werden dann damit auch meist nicht durchgeführt. Der Sanitätsdienst bei Veranstaltungen hat meines Erachtens die Aufgabe, den Patienten optimal fachgerecht erstzuversorgen. Wenn nötig, wird vom Sanitätsdienst dann das passende Rettungsmittel, also Krankenwagen, Rettungswagen oder Notarzt angefordert, dieses eingewiesen und der Patient zum Transport und eventuell nötiger Weiterbehandlung übergeben. Würde man selbst transportieren, würde man ja die Einsatzkraft vor Ort schwächen, da dann mehrere Einsatzkräfte für längere Zeit nicht mehr am Ort der Veranstaltung wären. Hilfreich kann ein Rettungsfahrzeug als Behandlungsraum vor Ort sein. Diesen kann man aber meist günstiger in vorhandenen Räumen oder in extra aufgestellten Zelten oder Containern schaffen. Anders sieht es bei sehr großen „Megaveranstaltungen“ aus. Erwartet man mehrere zehntausend Besucher und/ oder ist mit vielen Notfällen zu rechnen, kann die Kapazität des örtlichen öffentlichen Rettungsdienstes überschritten werden. Hier muß man dann, in Absprache mit den zuständigen Stellen, Transportkapazität zur Verfügung stellen. Jetzt hat übrigens auch der Sanitätshelfer wieder seine Daseinsberechtigung: Es gibt nämlich schlicht nicht so viele Rettungssanitäter und Rettungsassistenten um eine Veranstaltung, wie zum Beispiel die Loveparade, nur mit ihnen abzusichern. Das geht dann aber schon in Richtung Katastrophenschutz. Die Behandlung und Versorgung findet jetzt unter ganz anderen Gesichtspunkten, nämlich im Sinne der Ersten Hilfe und lebensrettenden Sofortmaßnahmen statt. Eine individuelle notfallmedizinische Behandlung ist jetzt nicht mehr
durchzuhalten.

Frage: Müssen die Sanitäter eigentlich immer in dieser nach Medizin und Notfall aussehenden Kleidung kommen oder geht das nicht auch in zivil? Schließlich bringt man das ja immer mit schlimmen Unfällen oder Ähnlichem in Verbindung und das könnte ja der Stimmung auf der Veranstaltung abträglich sein! Die Besucher sollen doch gute Laune haben und sich wohl fühlen!

E. H.: Das ist ein etwas zweischneidiges Schwert: Natürlich möchte der Veranstalter auf seinem Premium-Event, wie zum Beispiel einer Gala mit Prominenten und Politikern, nicht unbedingt rote oder blaue Jacken und Hosen mit leuchtenden Reflexstreifen sehen. Deshalb wird auf Wunsch des Veranstalters auch mal darauf verzichtet. Gute Dienstleister können auch Mitarbeiter in Abendgarderobe anbieten. Aber: Ein Sanitätsdienst sollte eigentlich schon deutlich sichtbar sein, damit er für jeden sofort erkennbar ist und im Fall des Falles schnell gefunden wird. Grundsätzlich sollten sich die Einsatzkräfte natürlich eher im Hintergrund halten und werden so kaum auffallen.

Frage: Wie viele Einsatzkräfte sollte ich als Veranstalter denn anfordern?

E. H.: Das hängt von vielen verschiedenen Kriterien ab. Hauptkriterium ist natürlich die Anzahl der Besucher. Aber auch die Art der Besucher, der Veranstaltungsort, die Art der Veranstaltung, die Dauer, das Wetter, der erwartete Alkoholkonsum und vieles mehr ist zu beachten. Außerdem kann es natürlich Auflagen von Behörden für die einzelne Veranstaltung oder den Veranstaltungsort allgemein geben. Seriöse Sanitätsdienste werden Sie gerne dazu ausführlich beraten.

Frage: Was muß ich als Verantwortlicher des Veranstalters sonst noch beachten?

E. H.: Natürlich sollten Flucht- und Rettungswege nicht verstellt werden und gut ausgeschildert sein, eine Zufahrt für den eventuell nötigen Abtransport von Patienten sollte vorhanden sein, über den eventuell einzurichtenden Sanitätsraum sollte man sich vorher abstimmen, Ablauf- und Lagepläne sollten übermittelt werden und so weiter. Gerade bei großen Veranstaltungsarealen ist eine vorherige Besichtigung durch den Sanitätsdienst sinnvoll. Kontakt zum Sicherheitsdienst sollte hergestellt werden, damit die Zusammenarbeit dann auch reibungslos funktioniert. Und: alle Sanitätsdienste, ob Privatunternehmen oder Hilfsorganisationen brauchen auch eine gewisse Vorlaufzeit, um den Einsatz zu planen und die erforderlichen Mitarbeiter einzuteilen. Auch wenn die Anforderung des Sanitätsdienstes für den Veranstalter naturgemäß nur eine lästige Pflicht ist, bitte nicht erst einen Tag vorher anrufen! Außerdem, wenn möglich, die Sanitäter in die Crewversorgung mit einplanen. Dies ist nicht nur eine alte Tradition sondern auch oft erforderlich, da die Einsatzkräfte teilweise viele Stunden vor Ort sein müssen und das Gelände ja nicht verlassen können.

Herr Herbote, ich danke für das Gespräch!

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